Kaltstart in die Saison.
Der Wind treibt immer wieder dunkle Wolkenfelder über den Himmel, als ich am Sonntagmorgen auf den Stadtplatz in Eferding (Oberösterreich) einbiege und zu meiner großen Freude nicht nur ein Startzelt vorfinde, sondern auch freie Parkplätze.
Es ist ein echter Vorteil der eher kleinen Veranstaltungen, gerade auf dem Lande, dass man sich im Grunde auf nichts vorbereiten muss. Man kann einfach anreisen und müsste sich im Grunde nicht einmal vorher anmelden. Letzteres habe ich natürlich trotzdem getan. Wer weiß, ob ich sonst so früh am Morgen aus dem Bett gekommen wäre.
Kaum habe ich den Motor aus, strahlt mir die Sonne einladend durch die Windschutzscheibe ins Gesicht. So ist der April, gerade noch dunkel und wolkenverhangen, jetzt schon sonnig und… kalt. Das Außenthermometer zeigt 7 Grad.
Mit einem Haufen Gleichgesinnter
Eine gute Stunde später verlässt ein Pulk von vielleicht zweihundert Fahrern auf alten Rennrädern Eferding in Richtung Norden. Zum wiederholten Male bin ich angenehm überrascht, wie positiv sich ein klassisches Rennrad auf den Hormonspiegel seines Nutzers auswirkt (das ist natürlich eine bloße Unterstellung). Ohne jedes Gedränge geht es in angenehmen Tempo über verkehrsarme Straßen hinaus in die Natur.
Freilich steigt das Tempo wenig später auch im klassischen Peloton und es teilt sich in mehrere kleine Felder. Die ersten Worte sind getauscht und die Beine werden langsam warm, während wir sanft ansteigend einem kleinen Tal flussaufwärts folgen.
Schon bald wird mir der Aufenthalt im vorderen Teil des Feldes zu anstrengend und ich erlebe zum ersten Mal an diesem Tage, was ich bei solchen Veranstaltungen so gerne mag. Ich fahre genau so schnell, wie es mir gerade gefällt. Und wenn ich wieder ein wenig plaudern will, dann warte ich einfach auf die kommende Gruppe.
Schweinebraten mit Kren statt Energie-Riegel
So vergehen die ersten Kilometer und ehe ich mich versehe, erreichen wir die erste Labe auf einem Hof, der offensichtlich Gutes produziert. Überhaupt geht es bei der Kirschblüten Radklassik und in dieser Region um den Genuss. Den Genuss der alten Rennräder, der verkehrsarmen Strecken und der feinen Speisen. Die Gegend um Eferding ist stark vom Obstanbau geprägt, von Most, Saft und Honig. Der Name der Veranstaltung kommt nicht von ungefähr.
Und so erfreue ich mich an kaltem Braten auf Brot und Fettgebäck als Nachtisch. Mit leckerem Apfelsaft in der Flasche mache ich mich aber schon kurz später wieder auf den Weg. Denn es ist kalt, um nicht zu sagen “saukalt”, und ziemlich windig.
Kalter Wind und Berge
Dass es trotz etwas zu hohem Tempo durchaus vertretbar war, die ersten Kilometer im Windschatten des Feldes zu absolvieren, wird mir auf dem zweiten Abschnitt bewusst. Es ist kaum wärmer als noch am Start, und der oft heftige Wind zerrt an Nerven und Muskelfasern. Immernoch dominieren dunkle Wolkenfelder den Himmel, aber die sonnigen Abschnitte werden wenigstens mehr.
Mit meinen Gedanken an zwickende Knielinge und zu kurze Pedalhaken beschäftigt, erschrecke ich fast ein wenig, als ein Renntandem von hinten heran- und vorbeirauscht. Als alter Tandemfahrer möchte ich zumindest den ein oder anderen Blick darauf erhaschen und hänge mich kurz an.
Das junge Pärchen hat offensichtlich richtig Druck und sähe ich nicht bereits den nächsten Anstieg, ich würde sofort reißen lassen. Aus eigener Erfahrung weiß ich: Am Berg ist ein Tandem nicht von Vorteil, insofern wird es doch gleich besser werden…
Doch die Beiden lassen von Beginn an keinen Zweifel an ihrer jugendlichen Überlegenheit und fahren mit so viel Verve in den mit schönen Serpentinen durchzogenen Hang, dass ich nicht einmal versuche, weiter mit zu fahren. Froh über meinen 28er Rettungsring hänge ich bald wieder alleine meinen Gedanken nach und schraube mich ganz langsam nach oben.
Es bleibt anstrengend und irgendwann verliere ich das Gefühl dafür, wie weit ich schon bin und auch darüber wo. Die Strecke ist so perfekt mit Wegweisern und auf die Straße gemalten Pfeilen markiert, dass man sich um die Wegfindung wirklich keine Gedanken machen muss.
Just als ich darüber nachdenke, was mir noch fehlt, verlässt die Route für ein kurzes Stück den Asphalt und gibt einen willkommenen Vorgeschmack auf das, was in diesem Jahr an Herausforderungen für meine klassischen Rennräder noch kommen soll.
Alpen-Panorama inklusive
Die zweite Verpflegung empfängt mich nicht nur mit einer wunderbar blühenden Staude, sondern endlich auch sonnig. Der Innenhof des schönen Landgutes ist herrlich windgeschützt und mein Körper saugt die Sonnenstrahlen förmlich auf. Zum ersten Mal wird es mir heute wirklich etwas warm.
Hier geht es deutlich ruhiger zu als noch in der ersten Pause und sogar einen Kaffee bekommt man auf Anfrage. Mal in netten Gesprächen vertieft und dann wieder ein wenig in der Sonne stehend, gefällt mir so gut, dass ich mir dieses Mal viel Zeit lasse. Das bekommt auch meinen Beinen gut, und als ich schließlich doch wieder aufbreche, fühlen sie sich besser an als vorher.
Die folgende 25 Kilometer-Schleife, die den Fahrern der 100-Kilometer-Runde vorbehalten ist, gehört zu den besonders schönen Streckenabschnitten. Sie lenkt den langsam müden Radfahrer immer wieder durch tolle Rundum-Aussichten ab.
Auf der einen Seite erkennt man die verschneiten Berge des Alpen-Hauptkammes mit dem sich abhebenden Traunstein im Vordergrund. Links daneben das verschneite Tote Gebirge mit dem Großen Priel als ihrem höchsten Vertreter.
Selbst hätte ich das alles natürlich nicht benennen können, obwohl ich vor vielen Jahren selbst schon einmal auf dem Großen Priel stand, aber dafür hat man schließlich kundige Mitfahrer. Auf der anderen Seite zeigen sich die vergleichsweise sanften Berge des Mühlviertels.
Radsport hält jung
Gerade kam ich mich noch ziemlich alt vor, da erzählt mir Jürgen davon, dass er sein erstes Rennrad, einen ganz frühen Alan-Alu-Renner, schon im Jahr 1974 erwarb, das Jahr in dem ich geboren wurde. Doch auf dem Rad macht er alles andere als einen alten Eindruck und wir absolvieren die letzten Kilometer zusammen.
Ich kann mir nur wünschen, dass ich in dreißig Jahren auch noch auf einem Rennrad sitzen kann, es muss auch gar nicht zwingend 100 Kilometer lang sein. Im Ziel erfahre ich noch, dass er bereits 76 Lenze zählt. Chapeau! Mehr kann ich dazu gar nicht sagen.
Rundum gut versorgt und zufrieden
Auch im Ziel wird man noch einmal mit einer warmen Mahlzeit und einem Getränk versorgt und ich trete die Heimreise mit dem guten Gefühl an, Teil einer tollen Veranstaltung gewesen zu sein. Die 100-Kilometer-Runde war für mich heute genau so schwer, wie ich es brauchte. Es hat mir am Schluß ehrlich gereicht. Die Atmosphäre war insgesamt einfach nur nett und angenehm.
Dem Verein Velodrom Linz, der die Kirschblüten Radklassik ausrichtet, kann ich nur Lob aussprechen. Die Veranstaltung, die wohl erst zum vierten Mal ausgetragen wurde, war perfekt organisiert. Und das obwohl sie im Vergleich zur In-Velo-Veritas oder gar der Eroica natürlich eher klein ist. Mir fällt nichts ein, was ich mir zu Recht hätte anders wünschen können.
Auch dass man mit seiner Teilnahme nebenbei noch ein so schönes Ziel wie den Ausbau der Linzer Fahrrad-Mobilität – mit einem eigenen Velodrom im Zentrum – unterstützt, hat mir gut gefallen.
Ein letztes Wort noch zu meinem treuen Rennrad bei der Kirschblüten Radklassik: Mein Tsunoda aus Mitte der Siebziger-Jahre hat mich pannenfrei getragen und richtig Spaß gemacht dabei. Es wird mich wohl auch zur IVV und zur Eroica begleiten.
Wenn mir nicht wieder unerwartet etwas vor die Füße rollt, das sich noch mehr aufdrängt dafür…
…aber das ist eine andere Geschichte.
Ein sehr schöner Bericht von Dir, Seblog, ich werde einem der Veranstalter, der ja nur so quasi um zwei Ecken von meiner Arbeisstätte im Radgeschäft arbeitet, Deinen Blog wärmstens empfehlen, er wird sich sicher darüber freuen.
Beste Grüße von “saeco64”
Hallo Fred,
es freut mich, dass er Dir gefällt und Danke auch, dass Du mich vor Ort angesprochen hast. So konnten wir uns auch persönlich einmal kennenlernen. Das hat mich sehr gefreut.
Ich wünsche Dir, dass Du bald wieder aufs Rad kommst und dann plaudern wir im kommenden Jahr bei der Radklassik von Rad zu Rad.
Beste Grüße
Sebastian
Hallo Sebastian,
hab vorm schlafen meine mails gescheckt und deinen Bericht verschlungen.
Er hat mir sehr gefallen und ich hatte das Gefühl fast selbst gefahren zu sein.
Vielen Grüße
dein Kollege Heinz
Danke Heinz, das freut mich! Irgendwann nimmst einfach mal dein Kuwahara und dann drehen wir mal eine Runde zusammen 🙂
Hallo Sebastian! Vielen, lieben Dank für deinen klassen Bericht! Hoffe, wir sehen uns 2020 wieder? Grüße aus Oberösterreich, Johannes (Kirschblüten Raklassik, Velodrom Linz)
Hallo Johannes,
es freut mich, dass Du so schnell darauf gestossen bist. Toll, dass Ihr so eine schöne Veranstaltung organisiert. Und natürlich hoffe ich, auch im kommenden Jahr wieder dabei sein zu können. Bis spätestens dahin!
Beste Grüße
Sebastian