Im Sommer 1977 fuhr der Franzose Bernard Thevenet auf einem silbernen Peugeot PY 10 CP den bisher letzten von insgesamt zehn Tour-de-France Gesamtsiegen für den großen französischen Fahrradhersteller Peugeot ein.
Als ich im Frühjahr die Chance bekam, einen solchen silbernen Rennradrahmen in ungefahrenem Zustand und meiner Größe zu erwerben, zögerte ich nicht lange.
Schon mein erstes echtes Rennrad trug doch den Schriftzug Peugeot und hätte ich mir zuletzt ein Peugeot Rennrad aussuchen dürfen, dann wäre es eben dieses seltene PY CP mit den eigenwilligen Anlötsockeln für die Mafac Special Bremsen gewesen, die es nur von 1975 bis 79 gab.
Das Rad-Universum meinte es mal wieder gut mit mir…
Das Atelier Prestige
Wie auch andere große Hersteller ihrer Zeit hatte Peugeot im Jahr 1974 ein sogenanntes Atelier Prestige ins Leben gerufen. Bei Peugeot wurden in dieser Zeit immerhin bis zu 3.000 Fahrräder aller Preiskategorien am Tag produziert. Und das Atelier Prestige als kleine Manufaktur innerhalb der Firma sollte im Umfeld der industriellen Massenfertigung den hohen Anspruch an das echte Rennsport-Material sicherstellen.
Hier entstanden ausschließlich die Rennräder der PY-Reihe, zu denen auch die Rennmaschinen der professionellen Radteams von Peugeot gehörten. Diese Exklusivität drückte sich für den gewöhnlichen Käufer neben dem Wissen darum vor allem dadurch aus, dass man sein Peugeot PY im Gegensatz zu den Rennrädern von der Stange selbst aus einer Art Baukasten zusammenstellen konnte.
Ähnlich agierten in den 70er-Jahren auch die großen Konkurrenten Bianchi mit dem Reparto Corse in Italien und die nicht weniger traditionsreiche britische Marke Raleigh mit seiner berühmten Specialist Bicycle Development Unit (SBDU) in Ilkeston. Eine Strategie, die wohl auch dem Wettbewerb mit den vielen kleinen und hoch spezialisierten Rahmenbauern Italiens entsprang.
Der Reiz des Seltenen
Ein besonderer Reiz ging für mich neben der – durch die Erinnerung an meine erste Rennmaschine – positiv besetzten Marke, vor allem von den Anlötsockeln für die Mafac Special Bremsen aus. Diese stellten eine leichtere und steifere Alternative zu den klassischen Mittel- und Seitenzugbremsen dieser Zeit dar, und wurden nicht wie alle anderen Rennrad-Bremsen über einen zentralen Bolzen am Rahmen fixiert.
Nur bei sehr wenigen französischen und auch italienischen Manufaktur-Rädern konnte man diese spezielle Befestigungsvariante mittels angelöteter Bolzen an den Gabelscheiden bzw. Hinterbaustreben sonst noch finden.
Eine Variante, die zwar technisch sehr sinnvoll erscheint, den Rahmen im Unterschied zur zentralen Bremsbolzen-Befestigung jedoch auf die wenigen speziell dafür gestalteten Bremsen festlegte, die es leider nie in nennenswerter Stückzahl gab.
Geeignete Modelle gab es meines Wissens nach nur von Mafac und etwas früher schon in Italien mit einer Spezial-Version der Universal 61 Bremsen.
Die Mafac Special Bremsen
Immer wenn ich also ein Rennrad mit diesen Bremsen sah, dachte ich, dass ich nach einem solchen Ausschau halten sollte, aber das letzte vakante in meiner Größe – auch ein Peugeot PY 10 CP – war mir drei Jahre vorher zu Gesicht gekommen. Und es war mir damals einfach zu teuer gewesen.
Doch dieses Mal passte sowohl der Preis als vor allem auch der Zustand. Wann bekommt man heute einen mehr als vierzig Jahre alten Rennradrahmen, der nie aufgebaut war, und dann noch von einem so gefragten Modell?
Dass ich auch die dazu erforderlichen und sehr seltenen Mafac Special Bremsen gleich mit dazu bekam, erleichterte den folgenden Aufbau deutlich und ersparte mir schlaflose Nächte.
Neuaufbau des Peugeot PY 10 CP
Als Anhaltspunkt für den Neuaufbau diente mir neben den Bildern von Bernard Thevenet bei der Tour de France 1977, ein Katalogauszug aus dem Jahr 1978. Dank der gesammelten und gescannten Prospekte auf bikeboompeugeot.com lassen sich auch heute noch die meisten Modelle des großen Herstellers finden und vergleichsweise einfach identifizieren.
Abweichend von der Ausstattung Bernard Thevenets bei seinem Tour-Sieg 1977 mit Mafac Special-Bremsen, Simplex/Stronglight/Spidel-Antrieb und Maillard 700 Naben, die nun auch mein Peugeot PY 10 CP schmücken, entschied ich mich – vor allem der besseren Praxistauglichkeit wegen – für immerhin zeitgemäße Drahtreifenfelgen (Mavic Module E) und den für mich obligatorischen Brooks Cambium Sattel.
Auch meine geschichtsträchtigeren Rennräder werden eben nicht aufgebaut, um ein tristes Dasein als Sammlerobjekt an der Wand zu fristen.
Die vielleicht auffälligste Abweichung zum Sammler-Standard stellt das orange-farbene Benotto-Lenkerband dar. Es wäre wohl zu bequem gewesen, sich einfach dem weißen Textilband Thevenets anzuschließen.
Der auffällige Farbakzent entspringt tatsächlich dem Vorschlag meiner Frau, die lapidar meinte “das sehe so viel sportlicher aus”. Es gefällt mir nicht nur optisch ausgesprochen gut, sondern hebt zusätzlich bei jeder Ausfahrt die Stimmung. Unglaublich was so ein Farbton ausmachen kann.
Auf die Straße damit…
Die ersten spätsommerlichen Ausfahrten mit dem silbernen Franzosen haben Lust auf mehr gemacht. Im kommenden Jahr wird das Peugeot sicherlich einer meiner favorisierten Begleiter auf schmalen Reifen sein.
Den Strade Bianche der Toskana oder den Naturstraßen des Weinviertels werde ich den fast makellosen Lack meiner Neuerwerbung wohl eher nicht aussetzen, dafür habe ich geeignetere Kandidaten. Doch gemeinsam auf den Mont Ventoux, das wäre schon was…
Bereits jetzt reiht sich das Peugeot PY 10 CP wunderbar in meine kleine Sammlung klassischer Rennräder. Erst kürzlich konnte ich noch ein super leichtes Raleigh 753 aus der Specialist Bicycle Development Unit (SBDU Ilkeston) bekommen, zu dem ich demnächst noch etwas mehr erzählen kann.
Schade, dass man die Bilder nicht durch anklicken grösser sehen kann…
Und ich ärgere mich oft, dass ich mein Jugendrad – ein Puch Großglockner – seinerzeit verkauft/verschrottet/wtf habe.
Hallo Rudi,
das WP-Theme ist primär für die Ansicht auf Smartphones optimiert, was einen am PC ohne touchscreen leider einschränkt. Am Smartphone kann man die nämlich einfach groß ziehen.
Ich bin halt leider auch mehr Radfahrer und -Schrauber als professioneller Blogger und ärgere mich selbst immer wieder über manche Bild-Darstellung, die ich nicht so hinbekomme, wie ich sie eigentlich gerne hätte.
Deinen Ärger über das entsorgte Rennrad teile ich, habe in den 90ern auch ein Nishiki Competition entsorgt, das ich heute gerne noch hätte. Mit dem bin ich 1994 den Ötzi gefahren und danach meine ersten echten Radrennen.
Beste Grüße ins Nachbarland
Sebastian
Lieber Sebastian,
das Lesen Deines absolut fachkundigen und lebhaften Berichtes war wie immer ein Genuss….
Georg
Hallo Georg,
Danke, das freut mich sehr! Und schön, mal wieder von Dir zu hören!
Beste Grüße
Sebastian
Das fehlt mir noch… , Glückwunsch
Hallo Sebastian,
wunderschönes Rad, Gott sei Dank habe ich auch eine dieser “Stahlrohrschönheiten” in weißmetallic abbekommen. Lustig ist auch das wir den gleichen Gedanken hatten und die Simplexbowdenzugklemmen am Rahmen mit transparenter Lackschutzfolie unterlegt haben.
Dir viel Spaß mit der Prinzessin
Michael
Hallo Michael,
Die Lackschutzfolie ist wahrscheinlich schon etwas übertrieben und ich mache das auch nicht immer. Aber einen neuwertigen Rahmen mit 77er BJ erstmals aufbauen eben auch nicht . Hat aber längst die ersten kleinen Gebrauchsspuren und schon fährt es sich entspannter. Viel Spaß auch mit deinem etwas jüngeren Exemplar. Die PY ab 78 in perlweiß finde ich die schönsten.
Beste Grüße
Sebastian