Während der Weihnachtsfeiertage habe ich zusammen mit meinem Sohn sein neues HUP cc Evo All-Terrain Rennrad aufgebaut. Da war es nur passend, dass uns der Wettergott zum Jahreswechsel gut 10 Grad und Sonnenschein servierte. Also freudig raus damit und die ersten Jahreskilometer und Eindrücke sammeln…
Ein Rennrad für Kinder?
Wem sich jetzt schon die Frage stellt, ob ein Kind wirklich ein Rennrad braucht, dem möchte ich versichern: “Nein, braucht es natürlich nicht.”
Das Angebot dafür ist hierzulande klein bis nicht vorhanden. Technisch brauchbare Lösungen sind rar und für die ersten Jahre der Radsport-Karriere reicht eines der gut verfügbaren Mountainbikes für Kinder in der Regel vollkommen aus.
Bei uns zuhause verhält sich die Sache nicht etwa anders, weil mein Sohn unbedingt Radrennen fahren will und dafür ein Rennrad bräuchte. Nein, wir haben ja nicht einmal einen Radsportverein in der Nähe. Aber er fährt einfach sehr gerne Rennrad – und das viel lieber als Mountainbike.
Als eher Rennrad-affiner Papa bin ich daran natürlich nicht ganz unschuldig. Schon im frühen Grundschulalter überraschte ich ihn zeimlich “Sinn-befreit” mit einem kleinen klassischen Bianchi-Kinder-Rennrad.
Abschied vom klassischen Bianchi Kinder-Rennrad
Und obwohl sein Woom 5 Off Kinder-MTB auf technisch aktuellem Stand und mit deutlich angenehmeren Fahrverhalten immer der bessere Untersatz war, zieht es meinen Sohn immer schon mehr auf die schmalen Reifen und die Straße (respektive den Radweg).
Das Tempo sowie das sanfte, fast lautlose Dahingleiten haben eben einen ganz eigenen Reiz.
Im vergangenen Sommer, in dem wir unsere gemeinsamen Radkilometer meist auf unserem Tandem zurückgelegt haben, äußerte er dann auch immer wieder den Wunsch, später schon noch ein Rennrad mit aktueller Technik und etwas größeren Laufrädern fahren zu wollen.
Gerade der Umstieg vom eher stoischen 24″ Woom MTB (oder vom Stoker-Sitz am Tandem) auf das nervöse Bianchi-Rennrad mit seinen kleinen 22-Zoll-Laufrädern und 22mm schmalen Schlauchreifen war immer wieder ein spannendes Erlebnis (dafür entschädigte der entzückende Anblick des kleinen Ensembles).
Ich war also ziemlich offen, als er gegen Ende des Sommers ein neues Rennrad als Weihnachtswunsch formulierte.
Das HUP-Konzept
Ein alter Freund, dessen Sohn im gleichen Alter (10 Jahre) tatsächlich schon seit Jahren auch Kinder-Radrennen bestreitet, brachte mich schließlich zum passenden Angebot. Er empfahl mir, auf den britischen Inseln zu suchen und zeigte mir auch gleich den HUP cc Kinder-Crosser seines eigenen Sohnes.
Dass das Angebot für Kinderfahrräder und -Komponenten in Großbritannien viel größer ist als bei uns, konnte ich vor Jahren schon beim Erwerb unseres 20″-Islabikes (Beinn) erfahren, das ich jederzeit wieder kaufen würde. Schon damals gab es bei uns nichts vergleichbares (zumindest das hat sich geändert).
Das besondere am Konzept der britischen Firma HUP ist, dass sie schon Kinder ab etwa 1,30m Körpergröße auf Räder mit 27,5 oder 28 Zoll Laufräder setzen.
Was mich anfänglich eher skeptisch machte, überzeugt mich mittlerweile. Möglich wird das Konzept durch einen ziemlich stark geslopten Rahmen mit nur 37cm langem Sitzrohr. Das Kind sitzt also wirklich “im” Rad, wie man heute gerne sagt.
Die großen Laufräder sorgen für eine angenehme Laufruhe und machen das Rad angenehm flott, was gemeinsame Vater-Sohn-Touren viel ausgeglichener gestaltet als wenn einer mit 22″-Laufrädern unterwegs ist und der andere mit 28ern.
Durch den vergleichsweise langen Radstand ist das Rad natürlich etwas weniger wendig. Dafür sorgt derselbe für einen sehr sicheren Geradeaus-Lauf, was ich bei einem Kinder-Rennrad als sehr angenehm empfinde. Freihändig fahren ging schon bei der ersten Ausfahrt unaufgefordert und wie von selbst, obwohl mein Sohn sonst eher übervorsichtig ist.
Unser HUP cc Evo Gravel-, Cross- oder All-Terrain Rennrad
Es gibt das HUP nicht nur in verschiedenen Rahmengrößen (beginnend mit RH 37), sondern auch in drei grundsätzlichen Varianten: nämlich Bahn (track), Straße (straatrace) oder Cross (evo).
Das HUP cc Evo als Cross-Variante unterscheidet sich von den beiden anderen vor allem durch eine größere Reifenfreiheit und die Flatmount-Bremssattel-Aufnahme für Scheibenbremsen.
Interessant finde ich übrigens, dass es so gar nicht als Gravel-Bike, sondern ganz klassisch als Cross-Rad vermarktet wird. Hier zeigt die der Wettkampf-orientierte Hintergrund der Firma HUP.
Das Evo war für mich auf alle Fälle das Rad der Wahl, denn auch wenn mein Sohn die Straße als Untergrund bevorzugt, wollte ich nicht auf die Möglichkeit verzichten, nach Lust und Laune oder bei starkem Verkehr auch auf Feld- und Forstwege auszuweichen.
Außerdem erschien es mir nicht nur das universellere, sondern auch das zeitgemäßere Konzept zu sein (Scheibenbremsen, Gravel-Boom, immer mehr Verkehr).
Das HUPcc Evo kann dank Scheibenbremsen wahlweise mit 27,5″ (650b) oder mit 28″ Laufrädern bestückt werden. Da mein Sohn mit etwa 1,30m Körpergröße noch sehr klein ist, haben wir das Rad erst einmal mit einem 650b-Laufradsatz (27,5″) und Schwalbe G-One Speed in 30mm Breite ausgestattet.
Damit ist es entsprechend seiner Vorliebe zwar eher Straßen- als geländetauglich, ein Feld- oder Schotterweg aber dennoch kein Hindernis.
Spezielle Komponenten für Kinder
Die Auswahl der Komponenten für den Aufbau eines Kinder-Rennrades gestaltet sich nicht wirklich einfach, denn spezielle Kinder-Komponenten gibt es nur wenige.
Als besonders neuralgisch – weil schwer verfügbar, aber ergonomisch sehr wichtig – erwiesen sich für uns folgende Komponenten:
- Kurbeln mit kindertauglicher Länge sowie
- Schalt-/Bremsgriffe für kleine Hände
Vergleichsweise einfach verfügbar waren dagegen ein kindertauglicher
- schmaler Rennlenker und
- ein kleiner und bequemer Kinder-Sattel.
Die restlichen Komponenten unterscheiden sich nicht wirklich von denen für Erwachsene, waren aufgrund der allgemeinen Knappheit am Markt aber dennoch nicht alle leicht zu bekommen.
Unser HUP cc Evo Set-Up
Am schwersten tat ich mir mit der Entscheidung und Suche nach für Kinder geeigneten Schalt-/Bremshebeln. Letztlich importierte ich sie zusammen mit dem Rahmenset aus England, wo es eine spezielle Short-Reach-Version der Microshift 1×11 Schalt-Bremsgriffe SB-M110 (S) gibt. Das dazu passende Microshift XCD Schaltwerk bekam ich gleich dazu.
Vorteil der Wahl: der Brems-/Schaltgriff ist wirklich geeignet für kleine Hände und in Bezug auf den Ritzelabstand immerhin Shimano-kompatibel.
Nachteil: es gibt ihn nur in einer mechanischen Version für Seilzugbremsen und der Einholweg ist relativ lang für die Kombination mit Scheibenbremsen (bei uns TRP Spyre mit 160mm-Scheibe vorne und 140mm hinten). Eine echte Vollbremsung erfordert schon die Unterlenkerposition. Dafür liegt der Druckpunkt sehr nahe am Lenker, was wiederum gut mit kleinen Händen harmoniert.
Eine wirklich bessere Alternative konnte ich nur in der Kombination aus elektrischer Schaltung mit hydraulischer Scheibenbremse erkennen. Aber irgendwo hat der finanzielle Aufwand für ein Kinder-Rennrad auch bei einem Radverrückten wie mir einfach Grenzen.
Auch die 140mm Langen 1-fach Kurbeln mit 34er kettenblatt bezogen wir noch direkt von HUP. Im Grunde gab es nämlich auch dafür hierzulande keine vernünftige Alternative.
Einen 360mm schmalen Rennlenker mit 40mm Vorbau (beides von Specialized), sowie den von uns seit Jahren geschätzen SDG Fly Kindersattel bekamen wir genauso wie alle restlichen Komponenten im Inland.
Ein relativ einfacher Shimano 650b-Systemlaufradsatz mit 28 Speichen vorne und hinten, Shimano Kette und 11-fach Kassette (11-42) sowie Shimano SPD-Kombi-Pedale komplettieren das Rad. Da wir damit keine Wettkämpfe bestreiten, waren wir bei der Wahl der Übersetzung nicht an Regeln gebunden. Sie sollte für uns einfach ein vernünftiges Spektrum im Gelände und auf der Straße abdecken.
Erste Erfahrungen mit dem HUPcc Evo
Das neue Rennrad begeisterte meinen Sohn vom ersten Augenblick an und er kam auch auf Anhieb damit klar. Schnell fahren, freihändig, sprinten… alles musste am ersten Tag probiert werden. Ich war mehr damit beschäftigt, ihn zu bremsen als zu fordern.
Das Rad und unser Setup haben klar bestanden.
Ich gebe offen zu, dass mir damit schon ein Stein vom Herzen fiel, denn sicher konnte ich mir auf Basis meiner überwiegend theoretischen Erwägungen im Vorfeld natürlich nicht sein. Schließlich schlug das HUPcc Evo für ein Kinderrad dann auch kostenseitig nicht ganz unerheblich zu Buche. Ein Fehlschlag wäre also gleich doppelt ärgerlich gewesen.
Da uns über den Jahreswechsel so schönes Wetter beschert war, konnten wir nicht nur dem alten Jahr noch ein paar Kilometer hinzufügen, sondern auch gleich noch die ersten des neuen Jahres absolvieren. Das hat schon richtig Laune gemacht und der positive Ersteindruck bestätigte sich auch bei der Wiederholung.
Dank des flotten HUP cc Evo Flitzers wird mich mein Sohn in diesem Jahr wohl noch etwas öfter und länger begleiten können – wenn er das will. Vielleicht sogar auf ein paar der Feierabendrunden, auf denen ich bisher lieber alleine unterwegs war.
Und Fußball spielt er ja trotzdem noch lieber 😉