650b-Umbau: Ein Rennrad zum Reisen

Vom Rennrad-Klassiker zum Reiserad

Schon seit längerem halte ich Ausschau nach einem schönen Stahlrahmen mit Ösen, auf dessen Basis ich mir einen klassisch angehauchten Light-Tourer bzw. ein reisetaugliches Rennrad aufbauen kann.

Bereits meine ersten Radreisen habe ich mit dem Rennrad und notdürftig angeflanschtem Gepäckträger unternommen und diese Idee des “leichten” Reisens fasziniert mich bis heute. Nur “notdürftig” möchte ich die Ausstattung heute nicht mehr.

Fuji Team – ein Rennradklassiker aus dem Jahre 1984

Im Februar ist mir mit dem Fuji Team schließlich ein schöner Stahlrahmen mit Ösen und in passender Größe in die Hände geraten und ich habe auch wegen des geringen Kaufpreises nicht lange gezögert und zugegriffen.

Fuji Team Rennrahmen mit Quad-butted CroMoly Rohren

Ein sehr schöner Rahmen, ordentlich verarbeitet aus nicht gerade alltäglichen quad-buttet (!) CroMoly Rohren. Einem Rohr also, das sich gleich zweimal verjüngt auf jeder Seite.

Der oberflächlich vorhandene Rost war schnell entfernt und dank meiner farbsicheren Frau auch relativ schnell ein passender Lack zum Ausbessern angerührt. Das Projekt konnte starten.

Reisetauglichkeit des Rahmens

Ein Rennradrahmen, der von Haus aus mit Ösen ausgestattet ist, sollte neben der Montage eines Gepäckträgers auch eine Schutzblechmontage erlauben, und obendrein auch Platz für etwas breitere Reifen bieten, so zumindest meine Annahme.

Ultrakurzes Bremsmaß

Diese erwies sich jedoch schnell als fehlerhaft. Schon der probeweise Einsatz eines vorhandenen 28 Zoll Laufradsatzes mit – zugegeben üppigen – 28mm Reifen zeigte die Grenzen des Rahmens bzw. der vorhandenen Reifenfreiheit auf.

Extrem schmaler Hinterbau

Dieser Rahmen wurde offensichtlich allein für den Einsatz von sehr schmalen Reifen mit 18-23mm Breite ausgelegt und weist mit seinem sehr kurzem Radstand und kurzen Bremsmaßen eine echte Renngeometrie auf.

Warum man diesem Renngerät dann Ösen für Schutzbleche verpasst hat, bleibt für mich ein Rätsel. Selbst mit 20mm dünnen Reifen dürfte für Bleche nämlich kaum Platz sein.

Kann ein 650b-Umbau die Lösung sein?

So schnell wollte ich die Flinte nicht ins Korn werfen. In den letzten Jahren hatte ich immer wieder von Umbauten klassischer Rennräder mit 28 Zoll Laufrädern auf den 650b Laufradstandard (27,5″) gelesen.

Entstanden ist diese Idee wohl aus der Grundüberlegung, dass durch die Reduzierung der Felgengröße bei annähernd gleichbleibender Geometrie ein deutlich voluminöserer Reifen gefahren werden kann, sowieso ein Trend in der heutigen Fahrradwelt.

Breitere Reifen für mehr Komfort

Längst haben Untersuchungen gezeigt, dass die Wahl der Reifenbreite kaum Auswirkungen auf den Rollwiderstand hat, sehr wohl aber auf den Fahrkomfort.

Möglich ist die Reduzierung des Felgendurchmessers von 28 auf 27,5 Zoll – also um 38mm – bei einem für 28 Zoll Räder ausgelegten Rahmens dadurch, dass ein Teil der Reduzierung durch die voluminöseren Reifen wieder aufgefangen wird. Wie stark ist abhängig davon, wie sehr sich das Reifenvolumen erhöhen lässt.

Der Idealfall sieht eine deutliche Erhöhung des Volumens vor, z.B. von 25 auf 47 mm Reifenbreite, denn eine solche egalisiert den Umbau in Bezug auf die Sitzposition des Fahrers und den Schwerpunkt des Rades.

Erlaubt der Rahmen eine solche Erhöhung, kommt der Vorteil der breiteren Reifen also ohne Einbußen zur Geltung, wie sie z.B. eine zu starke Reduzierung der Tretlagerhöhe mit sich bringen würde. Kommt das Tretlager nämlich zu weit runter, droht durch die geringere Pedalfreiheit in der Kurve ein Aufsetzen des Pedals.

Bei gleichbleibender Reifenbreite würde sich das Tretlager durch den Umbau um die Hälfte des geringeren Raddurchmessers absenken, also um 19 mm. Das würde den Fahreigenschaften der meisten Rennrahmen nicht besonders gut bekommen.

Die Praxis soll es zeigen: Ein 650b-Umbauversuch

Natürlich hätte ich mir die Mühe machen sollen, die entscheidenden Maße vor dem Umbauversuch zumindest mit einem Standardlaufradsatz in 28 Zoll zu messen, dann wäre mir frühzeitig klar geworden, dass mein Kandidat für einen solchen Umbauversuch nicht perfekt geeignet ist.

Das hätte jedoch bereits das entsprechende Wissen vorausgesetzt, und das fehlte zumindest  in Teilen vor der praktischen Erprobung noch.

Welche Maße sind also entscheidend, wenn man einen 650b-Umbau realisieren will?

Höhe des Tretlagergehäuses

Die Höhe der Tretlagermitte über dem Boden beeinflusst zum einen die Pedalfreiheit in der Kurve, d.h. bis zu welchem Neigungswinkel ich in der Kurve weiter pedalieren kann.

Zum anderen möchte man als Radfahrer jedoch möglichst tief auf dem Rad sitzen, da sich dadurch der Schwerpunkt absenkt, was die Fahreigenschaften und die Kurvenlage verbessert.

Es geht also um einen Kompromiss zwischen “im Rad” sitzen (niedrige Höhe) und genug Bodenfreiheit für die Pedale bei Schräglage (mehr Höhe).

Üblich und bewährt sind bei einem Rennrad klassischer Bauart Tretlagerhöhen von etwa 265 – 275mm.

Je höher das Tretlager des Umbaukandidaten, desto eher lässt sich eine ausreichende Bodenfreiheit aufrecht erhalten. Der Umbau senkt das Tretlager ohne Berücksichtigung der Reifen nämlich zunächst um 19mm ab. Je voluminöser der Reifen, desto mehr egalisiert sich diese Absenkung.

Reifenfreiheit

Da es das wesentliche Ziel des 650b Umbaus ist, einen breiteren Reifen fahren zu können, und zwar wie oben beschrieben, möglichst ohne Veränderung der Sitzposition, sollten der Hinterbau als auch die Gabel die Verwendung eines möglichst breiten Reifen erlauben.

Erhöhen lässt sie sich die Reifenbreite nach dem Umbau wegen der sich zu den Ausfallenden hin weitenden Hinterbaustreben und Gabelscheiden grundsätzlich, denn die 650b-Felge dreht sich im Vergleich zur 28 Zoll Felge ja 19mm weiter innen. Am Hinterbau ist dieser Effekt aufgrund der stärkeren Spreizung stärker ausgeprägt als an der Gabel.

Die Gabel klassischer Stahlrahmen bis Anfang der Neunziger Jahre erlaubt den Umbau nach meinen Beobachtungen fast immer, danach jedoch kamen häufiger auch aerodynamischere Gabelformen mit einem schmalen Gabelkopf und entsprechend nah beieinander liegenenden Gabelscheiden zum Einsatz, die eine Verwendung breiterer Reifen nicht erlauben.

Bremsmaß

Die Eignung des Bremsmaßes lässt sich am einfachsten und eindeutigsten vorab klären, da es im Unterschied zu den beiden vorgenannten Maßen unabhängig von der Reifenbreite ist.  Einfach einen 28 Zoll Laufradsatz einsetzen und messen. Auf das gemessene Maß muss man 19mm addieren und schon hat man die später erforderliche Schenkellänge der Bremsen.

Habe ich zum Beispiel einen reinrassigen Rennrahmen aus Ende der Achtziger Jahre mit einem 39mm Bremsmaß, dann werde ich auch hinterher nur eine Bremse mit 58mm Bremsmaß benötigen.

Hat der Rahmen jedoch schon vorher ein Maß von 57mm, dann wird er hinterher eine Bremse mit 76mm Schenkellänge benötigen, was die Auswahl möglicher Bremsen stark einschränkt, wenn nicht unmöglich macht.

Will man bei zeitlich passenden Komponenten bleiben, bieten sich in den meisten Fällen also nur noch Mittelzugbremsen an, die traditionell längere Bremsmaße hatten. Bei klassischen Seitenzugbremsen war nämlich meist bei 57mm Schluß.

Tektro R556 – geeignete Bremslösung für 650b Umbauten

Die moderne zweigelenkige Tektro R556 ermöglicht die Verwendung einer Seitenzugbremse sogar bis zu einem Bremsmaß von 73mm und ist für 650b-Umbauten deswegen entsprechend beliebt.

Eignung des Fuji Team Rahmens

Ich kann es vorwegnehmen, mein Fuji Team Rahmen erwies sich für den Umbau allenfalls als bedingt geeignet.

Schon bei der probeweisen Montage der 28 Zoll Laufräder zeigte sich ja, dass der Hinterbau des Fuji sehr schmal ist und es den Hinterbaustreben außerdem an den typischen “Eindellungen” an der Innenseite ermangelt. Diese hätten den nötigen Raum für einen breiteren Reifen und Schutzbleche schaffen können.

Da ich es trotzdem versuchen wollte, entschied ich mich nach einigen groben Messungen und Schätzungen für einen Versuch mit einem 32 mm breiten Reifen. Von vornherein war mir dabei klar, dass ein noch breiterer Reifen bei diesem Rahmen wohl nicht funktionieren würde.

das Fuji nach dem Umbau

Unter Verwendung des 32mm breiten Conti Speed Contact Reifens ergab in Bezug auf die oben genannten Maße das folgende Ergebnis.

Höhe des Tretlagers:
Tretlagermitte über Boden

Mit 260mm zwischen Tretlagermitte und Boden erwies sich die Bodenfreiheit auf den ersten Testfahrten als unkritisch. Die Sitzposition ist klasse, man sitzt im Rad, der Schwerpunkt ist tief.

Reifenfreiheit:

Die Reifenfreiheit ist der wirklich kritische Punkt am Fuji. Die Gabel böte zwar selbst einem 47 mm breiten Reifen noch Platz, doch der Hinterbau ist mit dem gewählten 32mm breiten Conti Reifen bereits am absoluten Limit.

Hinten geht es eng zu

Die Verwendung eines 28mm breiten Reifen würde ausreichend Reifenfreiheit bieten, jedoch das Tretlager noch weiter absenken. Spätestens bei der Montage von Schutzblechen wird eine Reduzierung auf 28mm-Reifen wohl unausweichlich.

Bremsmaß:

Als der am wenigsten kritsche Punkt des Umbaus erwies sich das Maß, an das ich in der Tat schon vor dem Umbau gedacht hatte. Das Bremsmaß erhöhte sich von kurzen 42mm vor auf 61mm nach dem Umbau. Das ermöglichte mehrere Optionen von klassischen Mittelzugbremsen bis hin zur gewählten Tektro R556 Seitenzugbremse.

Eine Entscheidung die letztlich neben dem günstigen Preis auch dem geringeren Aufwand und der unsicheren Eignung des Rahmens geschuldet war.

Die Tektros überzeugen nicht nur durch eine sehr gute Bremswirkung, sie bieten auch genügend Raum für eine spätere Schutzblechmontage. Obendrein sind sie eine sehr preiswerte Lösung, bei noch akzeptabel klassischer Optik.

Verfügbarkeit der benötigten 650b-Komponenten

Die schwierige Beschaffung von Reifen und Felgen mit dem besonderen Maß  für den 650b oder 27,5 Zoll Laufradstandard (584c), stand leider von Beginn an stark im Fokus meiner Überlegungen, so dass ich auch deshalb den eigentlich wichtigeren Vorausetzungen in Bezug auf die Rahmenmaße zu wenig Aufmerksamkeit schenkte.

Wahrscheinlich wollte ich den Umbau aber auch einfach zu gerne selbst praktisch erproben.

Reifen und Felgen für 650b-Laufräder sind jedenfalls hierzulande echte Mangelware, wenn es sich nicht um Mountainbike-Komponenten handelt, die sich vor allem aufgrund fehlender Bremsflanken (Mountainbikes in 27,5 Zoll haben ausschließlich Scheibenbremsen) bzw. zu breiter und profilierter Reifen nicht für eine Verwendung am Reiserennrad eignen.

Bei den Reifen gibt es mittlerweile zumindest bedingt geeignete wie den von mir gewählten Conti Speed Contact oder den Schwalbe Durano. Leider beides weder Leichtgewichte noch geschmeidige Rouleure, sondern eher von der robusteren Sorte. Eine etwas bessere Auswahl gibt es bei größeren Breiten ab ca. 40mm, die für meinen Aufbau jedoch nicht in Frage kamen.

Die sehr wertigen Ambrosio Keba Felgen musste ich sogar in Frankreich bestellen, wo es grundsätzlich etwas mehr Auswahl für den 650b Laufradstandard gibt.

Fazit zum ersten 650b-Umbau

Auch wenn sich das Fuji Team nicht als der ideale Kandidat für den Umbau erwiesen hat, bin ich von der grundsätzlichen Überlegung weiterhin begeistert. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich einen zweiten Anlauf nehmen werde, sobald mir ein besser geeigneter und ebenso schöner Rahmen über den Weg läuft.

Fuji Team nach 650b-Umbau

Ob das Fuji also langfristig auf 650b-Laufrädern läuft wird davon abhängen, wie es sich in der Praxis bewährt. Spätestens im Herbst soll es Schutzbleche bekommen. Dann wird sich auch zeigen, wie es sich mit 28mm-Reifen fährt und ob sich Schutzbleche überhaupt sinnvoll montieren lassen.

Ich vermute jedoch, dass spätestens wenn ich einen vermeintlich besser geeigneten Kandidaten gefunden habe, das Fuji seiner ursprünglichen Bestimmung entsprechend zurückgebaut werden wird. Schön und erhaltenswert ist es defintiv.

Der Umbau war sehr lehrreich und hat trotz Rückschlägen viel Spaß gemacht. Die ersten Ausfahrten mit dem Fuji nicht weniger.

Weitere Informationsquelle

Viele hilfreiche Informationen für den Umbau hätte ich auch ohne eigene Erprobung im US-amerikanischen Blog vom bikeman bekommen können, den ich leider erst in einem fortgeschrittenem Stadium des Umbaus empfohlen bekam.

Nachtrag vom 06.03.2018:

Fortsetzung – 650b Randonneur im zweiten Anlauf

Über meinen erfolgreichen zweiten Anlauf des Umbaus eines klassischen Rennrades zum reisetauglichen 650b Randonneur könnt Ihr mittlerweile hier lesen.

3 Antworten auf „650b-Umbau: Ein Rennrad zum Reisen“

    1. Hallo Ferdi,

      freut mich, dass es hilfreich und informativ für Dich war. Wenn bei Deinem eigenen Aufbau Fragen auftreten, kannst Du dich auch gerne per e-mail an mich wenden.

      Viel Spaß und Erfolg beim eigenen Projekt.

      Beste Grüße
      Sebastian

  1. Moin überlege meins auch umzubauen, kannst Du mir bitte sagen wo du welche Laufräder gefunden hasst?

    Min Rennrad ist aus dem Jahre 2013 und ich denke nicht, dass da ein 28mm Reifen passen kann. Aktuell mit 700c 23mm.

    Vielen Dank.

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