Tandem mit Kind (3)

Im Grunde spukte der Gedanke schon ein paar Jahre immer wieder durch meinen Kopf: Tandem mit Kind. Geht das? Macht das Sinn?

Und immer wieder verwarf ich den Gedanken. Der Aufwand für den Umbau wäre groß, ob es dem Junior gefällt – unsicher, und wahrscheinlich würde es auch gar nicht sinnvoll sein. Den Sohn auf den Stoker-Platz zu setzen, auf dem er fahrtechnisch nichts dazu lernen kann, ich scheute es.

Jetzt habe ich den Umbau zum Tandem mit Kind dann doch einfach gemacht…

Tandem mit Kind geht

Den entscheidenden Impuls setzte wahrscheinlich Florian mit seinem informativen Kommentar auf meinem Blog-Beitrag “Wenn der Vater mit dem Sohne“. Er hatte nämlich genau das getan und wusste Positives zu berichten.

Danach bedufte es zwar trotzdem noch einiger Wochen und der begeisterten Reaktion meines Sohnes, aber am Ende waren wir (ich) einfach reif dafür.

Umbau im zweiten Anlauf

Wie in meinen beiden älteren Tandem-Beiträgen schon beschrieben, besitzen wir schon seit den frühen 2000er-Jahren ein Tandem. Es diente mir und meiner Frau gemeinsamen Radreisen, die alle unvergesslich sind, verschwand aber dennoch irgendwann für mehr als zehn Jahre in einer dunklen Ecke unseres Hauses.

Im letzten Jahr zog ich es wieder raus und machte mich sofort begeistert an eine erste umfangreiche und relativ teure Sanierung mit dem Ziel, es wieder gelegentlich für kürzere Touren zu nutzen. Doch gemessen an der Anzahl der folgenden Einsätze (2!) war die Aktion ein Rohr-Krepierer – es hat wohl alles seine Zeit.

Im Nachhinein hätte ich es natürlich gleich so sanieren sollen, dass es für mich und meinen deutlich begeisterungsfähigeren Sohn passt, aber soweit waren wir da eben noch nicht.

Der kindgerechte Aufbau eines Tandem

Es hört sich zunächst wenig aufwändig an, erforderte in der Praxis doch recht intensive Überlegungen, denn spezielle Tandem-Teile sind schon ziemlich selten, doch für Kinder gibt es diese schlicht nicht. Und ganz ohne kindgerechte Komponenten kommt man bei einem solchen Umbau einfach nicht aus.

Zum Glück erwies sich unser Tandem zumindest geometrisch als denkbar gut geeignet für den geplanten Umbau. Es erforderte spezielle Kinder-Komponenten im Grunde nur in Bezug auf die Kurbeln, denn mit einer 170er Standardlänge wollte ich meinen gerade 1,30m kleinen Mitfahrer nicht peinigen.

An anderen Stellen wie z.B. dem Kindersattel unterscheiden sich die Komponenten auch am Tandem nicht von denen eines normalen Fahrrades, so wurde hier zumindest die Beschaffung nicht zum Problem.

Herausforderung: kindgerechte Kurbellänge

Spezielle Tandem-Antriebe mit je einer Einfach-Kurbel auf der linken und hinten einem Mehrfach-Kettenblatt auf der rechten Seite sind wahrlich kein Standardprodukt und nur von wenigen Herstellern zu bekommen, in kindgerechter Länge gibt es sie gar nicht.

Mir blieben bei Festhalten am Prinzip der Synchronkette links (was ich zwingend wollte) also genau zwei sinnvolle Möglichkeiten:

1. Die bestehenden Kurbeln hinten abzulängen und mit neuen Pedalgewinde-Bohrungen zu versehen, oder
2. Hinten zwei rechte Kinderkurbeln zu verwenden und am linken Pedal die Achse gegen eine Achse aus einem zweiten rechten Pedal zu wechseln, damit man es auch mit der auf der falschen Seite genutzten Kurbel fahren kann.
   • (Pedalgewinde sind rechts und links unterschiedlich, nämlich beidseitig so, dass sie sich nicht durch die Tretbewegung lösen können.)

Alles Klar?

Keine Sorge, ich musste auch ein paar mal darüber nachdenken, habe es dann aber genau so gemacht, wie unter 2. beschrieben:

Kurzerhand zwei Stronglight Impact Kids Kurbelsätze mit 145mm Länge besorgt, einmal 1-fach für die linke Seite und einmal 2-fach für die rechte, die beiden normalerweise für links gedachten Kurbelseiten blieben ungenutzt im Karton.

Danach noch die linke Achse des Shimano PD-M 324 Pedals gegen eine rechte aus einem günstig erworbenen Gebrauchtpaar getauscht und mit Schraubenkleber gegen die Selbstlösung gesichert.

Kindgerechte Sitzposition

Damit war der aufwändigste Part des Umbaus auch schon erledigt, denn wesentlich einfacher gestaltete sich bei unserem Tandem die sonstige Anpassung des Stoker-Platzes an die geringe Körpergröße, da es durch eine sehr kleine Rahmenhöhe hinten und die Verwendung von Teleskop-Sattelstützen von vornherein sehr variabel gebaut wurde.

Weichen musste nur noch die Teleskopstütze hinten mit dem für das geringe Gewicht eines Kindes sowieso nicht ausreichend empfindlichen Federelement. Ersetzt wurde diese durch eine leichte Standardstütze und dem schon auf dem Kinder-Rennrad bewährten SDG Fly Junior Kindersattel.

Der teure und seltene Stoker-Vorbau in Verbindung mit dem Ritchey Comp Gravel-Lenker erwiesen sich zum Glück als ausreichend flexibel und mein Sohn äußerte sich sofort begeistert über die komfortable Sitz- und Griffposition, was sich auch nach mehreren hundert Kilometern nicht geändert hat.

Guten Fahrkomfort bietet unser Tandem auch durch die Verwendung der extrabreiten Schwalbe Big Apple Reifen, die trotz ihrer Breite unglaublich gut und sicher rollen.

Umrüstung auf Rennlenker

Unabhängig von den Bedürfnissen meines Sohnes auf dem Stoker-Platz wollte ich im Rahmen des erneuten Umbaus einfach keine weiteren Kompromisse mehr eingehen. Insgesamt hatte ich dafür jetzt schon zu viel in das Tandem investiert. Deshalb nun auch die längst überfällige Umrüstung auf Rennlenker. Ich empfinde jede andere Lenkerform einfach als grausam und falsch.

Was sich wieder einmal trivial liest, war in der Praxis an unserem Tandem schwerer umzusetzen als man denkt, denn ein Verzicht auf die hydraulische Magura-Felgenbremse kam aufgrund der langen Leitungslänge und des relativ hohen Systemgewichts des Tandem für mich nicht in Frage.

Und so erforderte die Umrüstung nicht nur die Suche und den Erwerb der sehr seltenen Magura HS77-Rennbremshebel, sondern auch noch die Umrüstung auf Lenkerend-Schalthebel.

Und da ich im Zuge des kindgerechten Kurbel-Umbaus schon von 3-fach auf 2-Fach reduzieren musste (im Nachhinein ein Gewinn), entschied ich mich in diesem Zuge auch noch für den relativ leichten Umbau von 9- auf 10-fach hinten.

Tandem mit Kind: ErFAHRungen

Und was hat es gebracht?

Von Beginn an hat das “neue” Tandem meinem Sohn und mir einfach nur Spaß gemacht. Schon auf der ersten Ausfahrt war ich überrascht, wie flott wir zusammen unterwegs waren und ich habe wohl noch eine Stunde danach einfach nur gegrinst.

Wir harmonieren bei der Trittfrequenz und auch im Wiegetritt am Berg. Statt dem befürchteten Gefühl, meinen Sohn dabei unbemerkt zu überfordern, muss ich mir regelmäßig anhören, dass unser Schnitt leidet, weil ich mich nicht richtig reinhänge.

Nun gut. Schneller bin ich alleine auf dem Rennrad in der Regel jedenfalls auch nicht mehr unterwegs.

Mittlerweile haben wir unsere Tandem-Erfahrungen sogar schon um eine erste mehrtägige Tour mit Zelt und Gepäck erweitert. Auch das lief sehr rund und machte Lust auf mehr. Wahrscheinlich liegt hier für uns sogar das größte Potential des gemeinsamen Tandemfahrens. Fürs erste waren aber drei Tage am Stück genug.

Besonders gut gefallen mir unsere langen Gespräche unterwegs, oft wälzen wir stundenlang Themen auf die wir sonst gar nicht gekommen wären. Die Idee Tandem mit Kind hat ein paar Aspekte, die ich so gar nicht erwartet hatte.

Andere, wie die beim Tandemfahren empfundene Gemeinsamkeit, bei der zwei Fahrer mit ihrem individuellen Einsatz zusammen für ein und dasselbe Vorankommen sorgen, hat mich schon immer fasziniert. Das nach meiner Frau nun auch mit dem gemeinsamen Sohn zu erleben ist besonders schön.

Unsere kleine Radreise zum Chiemsee, drumgerum und zurück, verlief auf dem Tandem nicht nur ausgeglichen, sondern vor allem für mich als Aufsichtsperson auch entspannter, als ich sie auf getrennten Rädern hätte empfinden können.

Fazit:

Der Umbau hat sich gelohnt und unserem Tandem ein zweites Leben beschert.

Für Vater-Sohn-Touren bietet es tolle Möglichkeiten, vor allem, wenn man mal länger als nur einen Tag unterwegs sein will.

Und trotz anfänglicher Bedenken lässt sich sogar die ein oder andere fahrtechnische Fähigkeit auf dem Tandem schulen: im gemeinsamen Wiegetritt lernt man über den Hügel zu treten und sich nicht schon im Angesicht der Kuppe zu setzen. Das gleichmäßige Fahren vermittelt sich auf dem Tandem ganz nebenbei. Und selbst das richtige Anfahren von Kurven lässt sich so eng beieinander ganz anders diskutieren.

Ersetzen soll es unsere Rennrad und MTB-Ausflüge natürlich nicht, auch wenn diese dank der Anfangs-Euphorie des Neuen zuletzt etwas in den Hintergrund getreten sind.

Eine tolle Ergänzung für längere Touren ist unser Tandem schon jetzt.