Die Brompton Erfahrung

Die Anschaffung eines Faltrades kam mir lange Zeit überhaupt nicht in den Sinn. Ich möchte fast sagen, dass ich diese Art der Gattung Fahrrad lange nicht einmal wahrnahm.

Geändert hat dies initial wohl ein Artikel über den englischen Traditionshersteller BROMPTON in der Zeitschrift fahrstil (#35). Erstmals wurde mir dadurch das Potential eines Faltrades als Verkehrsmittel richtig bewusst und ich befasste mich ein wenig mehr mit dem Thema Faltrad und seinen Einsatzmöglichkeiten.

Zur eigentlichen Zielgruppe des Faltrades gehöre ich eher nicht. Ich wohne weder in der Stadt noch muss ich an meinen Arbeitsplatz pendeln. Das größte Potential hat das Faltrad nämlich für Pendler, die das Verkehrsmittel wechseln müssen um gut an ihren Arbeitsplatz zu kommen (in der Regel von der Bahn oder dem Auto zum Fahrrad).

Und doch, einmal im Thema fiel mir natürlich ein passendes Einsatzspektrum für mich selbst ein. Meine ganz eigene Brompton ErFAHRung.

Immer dabei – mein neues Brompton

Als leidenschaftlichem Fahrradfahrer fehlt mir ein solches im Grunde immer, wenn ich unterwegs bin und keines dabei habe. Sei es im Familienurlaub, auf Dienstreise oder bei den regelmäßigen Besuchen der Verwandschaft in meiner oberfränkischen Heimat.

Nimmt man dafür extra ein Rennrad mit, dann ist das immer auch eine Verpflichtung, es vor Ort angemessen zu nutzen, damit sich der Aufwand der Mitnahme und entsprechender Klamotten auch lohnt. Dann passt aber plötzlich das Wetter nicht, Frau oder Sohn haben ganz andere Pläne oder man selbst einfach keine Lust. Und überhaupt – wer mag schon Verpflichtungen?

Wie praktisch wäre da ein Fahrrad, das man einfach immer dabei hat, das sowieso eher in Alltagsklamotten gefahren wird und das dabei nicht mal nennenswert Platz einnimmt?

Brompton Faltrad seblog.de
So ein Brompton Faltrad ist gefaltet wirklich kompakt (ca. 60x60x30)

Ich war am Haken.

Dass gerade zwei Wochen Familienurlaub in Frankreich vor der Tür standen, machte mir die Entscheidung nur leichter. Man könnte damit so gut das morgendliche Baguette holen und ein paar Abendrunden in neuer Umgebung wären auch mit einem Faltrad sicherlich ein großer Spaß.

Der Weg zum Brompton ist einfach

Der Kauf wurde mir dann auch nicht wirklich schwer gemacht. Brompton hat in mehreren Metropolen weltweit eigene Flagship-Stores – sog. Brompton-Junctions – und München gehört in Deutschland neben Hamburg dazu.

Ich hatte also nur gut 30 km Anreise und gut vorabinformiert war der eigentliche Kauf letztlich eine Sache von 15 Minuten. Kurze Probefahrt, Wahl des Lenkertyps, Anzahl der benötigten Gänge (1-6), Nabendynamo ja/nein und schließlich noch die bevorzugte Farbe.

Das Brompton System

BROMPTON hat ein wirklich einfaches Baukastensystem, das dem Käufer nicht allzu viele Entscheidungen abverlangt und logistisch betrachtet einfach nur genial ist (v.a. für Brompton). Trotzdem hat mir keine Auswahlvariante gefehlt, wenngleich ich einschränkend erwähnen muss, dass ich ein großer Fan einfacher Prozesse bin.

Dass Brompton so standardisiert arbeitet, macht es ihnen auch leichter möglich, die nötigen Komponenten ausreichend zu lagern. Im Grunde ist fast jede Kompenente am Brompton auch Brompton gelabelt und in vielen Fällen extra für Brompton designed.

Mein Brompton wurde also wunschgemäß zusammengebastelt und ich konnte es nur eine Woche später schon abholen. So macht Einkaufen Spaß.

Mein Brompton

Entschieden habe ich mich für das gängigste Modell, ein Brompton C-Line, ergänzt durch eine 6-Gang-Schaltung, mit geradem Lenker und, etwas abweichend vom Standard, in einer auslaufenden Sonderlackierung der Brompton-Juctions (grau-metallic) mit überwiegend schwarzen Anbauteilen.

Brompton C-Line grau-metallic seblog.de
Mein “Brommie” kommt eher gediegen daher: grau, schwarz und etwas Aluminium.

Warum es überhaupt ein Brompton wurde und nicht irgendein anderes Faltrad? Mich überzeugten der Faltmechanismus und das konkurrenzlos kleine Faltmaß. Nur das machte ein Faltrad überhaupt interessant für mich.

Der Vollständigkeit halber muss ich wohl auch ein Wort über den Preis sagen. In der von mir gewählten Variante wurden etwa 1.800 € fällig, was für ein “Klapprad”- wie es meine Frau ausdrückte – schon eine Ansage ist. Dafür bekommt man aus meiner Sicht aber auch ein 30 Jahre nach seiner Erstausgabe immer noch wirklich innovatives und exklusives Produkt, das seine Alltagstauglichkeit und Qualität lange bewiesen hat.

Mir war es das auch mit einem Blick auf die dahinter stehende Infrastruktur (eigene Läden, große Wertschöpfungstiefe, europäische Fertigung) und Firmen-Philosophie jedenfalls wert.

Unterwegs mit dem Brompton

Meine erste Brompton Erfahrung: in Hinsicht auf seine Fahreigenschaften und vor allem das Tempo wird das Brompton von den meisten sicher untergeschätzt. Auch ich hatte Bedenken ob der winzigen 16-Zoll-Räder, für die es beim “Brommie” bauartbedingt keine Alternative gibt. Das Hinterrad lässt sich nur deswegen einfach unter den Rahmen klappen und hält damit das gefaltete Rad mit <30cm so schmal, dass es sich so komfortabel wie ein Koffer tragen lässt.

Unterschätzt wird vor allem die Geschwindigkeit, zu dem einen das Zwergenrad befähigt. Das Teil rollt wirklich gut und auch die Übersetzung der Getriebenabe lässt ordentliche Geschwindigkeiten zu. Im 6. Gang muss man schon mit 35 km/h unterwegs sein um überhaupt eine flüssige Trittfrequenz zu erzielen.

Die Sitzposition ist zumindest für mich mit nur 1,70m Körpergröße und mit geradem Lenker noch einigermaßen sportlich. Gerade in der Ebene kann man mit dem kleinen Falter wirklich sportlich unterwegs sein.

Das Brompton im Einsatz seblog.de
Urlaubseinsatz in der französischen Camargue.

Bergauf kam ich mit der Sitzposition und den doch eher lausigen Wiegetritteigenschaften des Brompton jedoch nicht so gut zurecht. Auch das relativ hohe Gewicht (etwa 12kg) machte sich da schnell bemerkbar. Lässt man es bergauf eher ruhig angehen, lässt die Übersetzung in den ersten beiden Gängen aber auch längere Anstiege gut zu. Es muss damit ja nicht der Mont Ventoux sein.

Am auffälligsten wird der Unterschied zu einem normalen Fahrrad, wenn man gewohnheitsmäßig mal beide Hände vom Lenker nimmt. Freihändig fahren ist dank der 16-Zoll-Laufräder nämlich auch für geübte Radfahrer eine schwierige Übung. Das Brompton neigt da doch sehr zum seitlichen Ausbrechen.

Ebenso erfordern schlechte Straßen (v.a. mit Längsrillen) eine deutlich erhöhte Konzentration, will man nicht unfreiwillig absteigen. Für den Geübten bergen die kleinen Räder aber auch eine Menge Fahrspaß, denn an Wendigkeit fehlt es dem Faltrad wirklich nicht. Und mit beiden Händen am Lenker sind auch schnelle Abfahrten kein Problem.

Brommie unterwegs seblog.de
Auf asphaltierten Radwegen ist man auch mit dem Brompton am besten unterwegs.

Ungewohnt war für mich, dass man mit dem Brompton nie geräuschlos unterwegs ist. Die Getriebenabe und der Kettenspanner machen sich immer irgendwie bemerkbar, egal ob im Freilauf oder in der Trittbewegung. Ich kehrte nach meinen ersten Kilometern sogar noch einmal um, um in der Brompton-Junction sicherheitshalber nachzufragen, ob das auch wirklich so gehört. Bei der Probefahrt in der belebten City war mir das nämlich gar nicht aufgefallen, weil es außenrum schon so laut war.

Geschuldet ist das Fahrgeräusch vor allem der Getriebenabe in Verbindung mit den kleinen Laufrädern. Nachdem ich nun ein paar hundert Kilometer damit gefahren bin, ist das auch für mich nur noch der typische Brommie-Sound.

Brompton als Urlaubsbegleiter seblog.de
Das Brompton bewährt sich als unauffälliger Urlaubsbegleiter.

Fazit: Das Brompton ist schneller als man ihm zutraut und macht wirklich Spaß beim Fahren. Für das Anziehen der Windjacke werde ich mit dem Brommie zukünftig aber lieber anhalten und ins Gelände muss ich mit dem Teil auch nicht wirklich.

Wofür nehme ich das Brommie?

Nach den ersten Testrunden hinaus aus der Stadt und auf heimischen Straßen um meinen Wohnort dauerte es keine Woche bis zur ersten Dienstfahrt. Es drängte sich geradezu auf: ein Kunden-Termin direkt in der Münchner Innenstadt.

In Kombination mit dem Auto war ich so nicht nur schneller, sondern zeitlich auch wesentlich besser kalkulierbar unterwegs. Mit dem Auto ging es zu einem verlässlichen Parkplatz in der Peripherie und danach mit dem Faltrad direkt zum Kunden. On top machte das Ding lässig am langen Arm doch einigermaßen Eindruck und sorgte für einen netten Gesprächseinstieg.

Geparktes Brompton seblog.de
Angeleint vor dem Supermarkt – es hätte auch leicht in den Einkaufswagen gepasst.

Im Urlaub in der südfranzösischen Camargue diente es mir zum Einkaufen genauso wie für sportliche Abendrunden zur Erkundung der näheren Umgebung. Meine längste Tour war etwa 50km lang, für die ich kaum mehr als zwei Stunden unterwegs war. Während des ganzen Urlaubs stand es nie im Vordergrund, war aber trotzdem immer dabei. Genau so ein Fahrrad hatte mir noch gefehlt.

Im Auto passt es perfekt hinter den Fahrersitz, wo es (mit einem Riemen gesichert) bei meiner dreiköpfigen Familie im Grunde immer bleiben kann, bis ich es unterwegs wieder brauche.

So habe ich es jetzt immer dabei und freue mich schon auf die nächsten Kilometer damit. Es dürften mehr werden, als ich vorher gedacht habe. Denn auch auf Dienstreisen eröffnet das Brompton ganz neue Perspektiven für die sonst eher langweiligen Feierabende fernab der Heimat.

Zusammenfassung meiner ersten Brompton ErFAHRung (tbc): ich mag den kleinen Falter!

2 Antworten auf „Die Brompton Erfahrung“

  1. Ja, so kleine Falträder haben was. Auch wenn es bei mir nicht für ein Bromton gereicht hat, sondern es nur ein Prophete wurde, sind die kleinen Dinger für die kurze Tour, oder in Kombi Bus/Bahn und Rad eine gute Lösung und machen Spass! LG Benno

  2. Ja, ja, einso so typische Geschichte. Ich hatte das Auto abgeschafft und wegen langer Pendelstrecke gegen die Bahncard100 getauscht. Das war schon eine sehr gute Entscheidung, dann sah ich immer mehr Pendler, die vor allem mit Bromptons unterwegs waren und im Vergleich zu allen anderen Falträdern diejenigen waren, die den kleinsten “Schrotthaufen” zu tragen hatten, un in der Kategorie “Schrott wird flott” mit Abstand die schnellsten waren. Keine 10 Sekunden und die geübten Pendler rollten los während ich feststellte, dass die S-Bahn verspätung hat während die Bromptonauten bereits am Mainufer entlang radelten. Neu hätte ich es mir nicht leisten können, aber es kam dann ein gebrauchtes (Baujahr 2001) zunächst mit drei-Gangnabe ins Haus, das inzwischen nach und nach aufgerüstet wurde. Die neuen Bremsen, Nabendynamo und heller Scheinwerfer, und am Ende flog das alte Hinterrad raus und das Rad habe ich auf eine Shimano Nexus 8-Gangnabe umgebaut. Jetzt habe ich bei Steigungen oder mal heftigerer Gegenwind immer die richtige Übersetzung parat. Ein Brompton kauf man nur einmal, oder man vererbt es.

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